Donnerstag, 18. Januar 20078:15 Uhr: 1. Arbeitstag nach dem Urlaub, die Bahn ist pünktlich in Essen. Endlich mal. Hoffentlich fährt sie auch nachmittags wieder pünktlich zurück, schließlich hab' ich Pilates. Das Auto ist vorsichtshalber nicht direkt am Bahnhof Buldern unter den Bäumen geparkt, sondern im Wohngebiet. Für den Fall, dass sich doch mal ein kleiner Ast verirrt.
11.oo Uhr: Ich erfahre, dass Schulen, Kindergärten usw. in Essen und Bochum aufgrund der Sturmwarnung ab 12 Uhr mittags geschlossen werden. Doch so dramatisch? Ich kann's mir gar nicht vorstellen...
12.00 Uhr: Der Blick aus dem Fenster zeigt schnell ziehende Wolken. Die Bäume bewegen sich aber nur etwas. Es regnet. Kerstin und ich entscheiden uns, die Mittagspause wie gewohnt draußen zu verbringen. Das bissl schlechte Wetter hält uns nicht ab.
12.30 Uhr: Mittagspause. Kerstin und ich schreien uns an, weil wir sonst kein Wort verstehen. Es regnet und ist windig. Sonst alles iO.
12.55 Uhr: Etwas heiser und nass im Büro zurück.
13.00 Uhr: Info in der Firma, dass es jedem MA freigestellt wird, früher zu gehen. Ich find's übertrieben.
14.00 Uhr: Beim Blick aus dem Fenster bleibe ich gelassen. Bäume bewegen sich wenig. Sieht nicht schlimm aus. Bahn-Fahrplan online gecheckt: alles pünktlich.
15.00 Uhr: Ich besuch' meine Kollegin auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite. Beim Blick dort aus dem Fenster bleibe ich nicht mehr so gelassen. Mir fällt ein, dass meine Fensterseite auch total windgeschützt ist.
15.15 Uhr: Ich steh auf einem Übergang, der 2 Verlagsgebäude verbindet. Es pfeift, klappert und scheppert. Eine dezente Panikattacke beschleicht mich.
16.oo Uhr: Meine Kollegin macht früher Feierabend. Unser Flur wirkt ausgestorben. Dudelt da jemand "spiel mir das Lied vom Tod"? Nee, muss wohl der Sturm sein, der um die Ecke pfeift.
16.30 Uhr: SMS von meiner Kollegin am Bahnhof: Stromausfall - kein Zug fährt.
16.35 Uhr: Ich rufe in der Physiopraxis an und sag schon mal Bescheid, dass ich wohl später komme zum Pilateskurs. Wenn es ganz schlecht läuft, vielleicht auch gar nicht.
16.45 Uhr: Aus dem Fenster schau ich lieber nicht mehr.
17. oo Uhr: Mein Mann und ich machen Feierabend. Mittlerweile ist es wahnsinnig stürmisch. Wir nehmen die U-Bahn zum Essener HBF.
17.15 Uhr: Wir kommen zu unserem Gleis - unsere Bahn steht schon da. Was für ein Glück. Schnell rein.
17.20 Uhr: Die Bahn steht noch. Eine Durchsage - wir verstehen nichts.
17.25 Uhr: Die Bahn steht immer noch.
17.30 Uhr: Wieder eine Durchsage. Diesmal kriegen wir auch was mit. Der Bahnverkehr in NRW ist aufgrund des Orkans b.a.w. eingestellt.
17.45 Uhr: Wir entscheiden uns, erst mal was zu essen und bleiben im Bahnhofsgebäude - ohne Fenster :-)
18.30 Uhr: Es wird klar, dass bis Mitternacht keine Bahn mehr fahren wird. Ich kauf schon mal im Bahnhof 2 Zahnbürsten, Deo, Zahncreme, Gebränke. Sicher ist sicher...
18.45 Uhr: Wir fahren wieder zurück ins Büro und bringen den Kollegen, die dort geblieben sind, schon mal ein Burger-King-Picknick-Päckchen mit.
19.45 Uhr: Alle Möglichkeiten ausgecheckt, wir haben uns entschieden in einem Hotel zu übernachten.
20.15 Uhr: Fast alle Hotels sind ausgebucht. Wir haben die Wahl zwischen einem 2-Sterne-Hotel für 65 Euro und einem 4-Sterne-Hotel für 160 Euro. Wir entscheiden uns für die günstigere Variante.
20.45 Uhr: Wir laufen in der Essener Innenstadt rum und suchen verzweifelt das Hotel. Da wars wieder .. ne Mundharmonika dudelt den Western-Song und ein Strohballen fliegt über den Gehweg. Ich ziehe meinen Hut tiefer ins Gesicht.
21.00 Uhr: Fährtenleser Der-nie-mit-dem-Putzlappen-tanzt Fabian hat das Hotel gefunden.
Zwielichtige Gegend. Die Leuchtschrift blinkt.
21.05 Uhr: Eingecheckt, Fahrstuhl in den 4. Stock. Der klapperte und wackelte. Schon wieder eine dezente Panikattacke, die mich beschleicht. Anscheinend auch meinen Fährtenleser. Der Fahrstuhl hält. Zum Glück auch da, wo wir aussteigen können. Wir sind in unserem Zimmer. Siehe da- ein Upgrade. Und das im 2-Sterne-Hotel. Eins der größten Zimmer auf der Etage, 3 Betten. Sachen gibts.
22.00 Uhr: Unsere Utensilien sind verstaut, wir krümeln uns unter die Bettdecke und schauen die Wetterberichte im Fernsehen. Der Wind heult draußen. Hat was romantisches. Mir fällt ein, dass wir in einem einschlägigen Hotel sind. Zimmer für eine Nacht gebucht. Warum nicht den Vorurteilen alle Ehre machen? Ich grinse meinen Fährtenleser neben mir an.
22.02 Uhr: Mir fallen die Augen schon wieder zu. Der Entschluss von 22 uhr wird revidiert und aus dem Protokoll gestrichen.
22.30 Uhr: Der knatternde Fahrstuhl setzt sich in Bewegung. Ich bin wieder hellwach. Für 2 Minuten. Wieder eingeschlafen
23.00 Uhr: Der Fahrstuhl knatter schon wieder - nein, ist mein schnarchender Mann neben mir. Ich hab keine Ohrstöpsel da. Auch das noch. Der erste Rippenstoß wird ausgeteilt.
Freitag, 19.Januar 20073.00 Uhr: Schon wieder Geschnarche. Unzählige Rippenstöße ausgeteilt. Ich werd wahnsinnig.
Jeder Hauch von Romantik ist verflogen. Ich ärger mich gerade, dass ich nicht eher Feierabend gemacht habe und zu diesem Zeitpunkt in meinem Bett daheim mit Ohrstöpseln in Ruhe schlafen könnte...
7.00 Uhr: Der Wecker klingelt. Neee, jetzt war ich doch gerade richtig eingeschlafen. Mein Mann wundert sich über seine schmerzende rechte Seite. Ups!:-)
8.00 Uhr: Frisch geduscht, alte Klamotten vom Vortag an (ganz was feines). Wir verlassen das Zimmer. Nehmen lieber die Treppen und lassen den Horrorfahrstuhl recht liegen. Frühstück!
8.30 Uhr: Wieder im Büro. So einen kurzen Anfahrtsweg hatte ich noch nie:-) Aber beim nächsten Mal nehm ich eine Sturmwarnung definitiv lieber ernst...